Forschung zur Virusübertragung: SARS-CoV-2 infiziert orale Zellen

Wissenschaftler haben Beweise gefunden, dass SARS-CoV-2 orale Zellen infiziert. Die Ergebnisse erklären erstmals orale Symptome bei COVID-19-Patienten und helfen, neue Strategien zur Reduzierung der Virusübertragung zu entwickeln. Ein internationales Team von Wissenschaftlern hat Hinweise darauf gefunden, dass SARS-CoV-Zellen den Mundraum infizieren. Während bekannt ist, dass die oberen Atemwege und die Lunge die primären Orte der SARS-CoV-2-Infektion sind, gibt es Hinweise darauf, dass das Virus auch Zellen in anderen Teilen des Körpers infizieren kann, z. B. im Verdauungssystem, in den Blutgefäßen, in den Nieren und, wie diese neue Studie zeigt, im Mund. Die Möglichkeit, dass das Virus mehrere Bereiche des Körpers infizieren kann, könnte helfen, die vielfältigen Symptome zu erklären, die bei COVID-19-Patienten auftreten, einschließlich oraler Symptome wie Geschmacksverlust, Mundtrockenheit und Blasenbildung. Darüber hinaus deuten die Ergebnisse auf die Möglichkeit hin, dass der Mund eine Rolle bei der Übertragung von SARS-CoV-2 auf die Lunge oder das Verdauungssystem spielt.

Die Forschungsgruppe bestand aus Wissenschaftlern der amerikanischen Gesundheitsbehörde National Institutes of Health (NIH) und der University of North Carolina, Forschungsleiter war Blake M. Warner. Die Ergebnisse wurden Ende März im Fachjournal Nature Medicine publiziert.

Rolle der Mundhöhle bei SARS-CoV-2-Infektionen

Forscher wissen bereits, dass der Speichel von Menschen mit COVID-19 hohe Mengen an SARS-CoV-2 enthalten kann, und Studien deuten darauf hin, dass Speicheltests fast so zuverlässig sind wie tiefe Nasenabstriche. Was die Wissenschaftler jedoch nicht ganz wissen, ist, woher das SARS-CoV-2 im Speichel kommt. Bei Menschen mit COVID-19, die Atemwegssymptome haben, stammt das Virus im Speichel möglicherweise zum Teil aus dem Nasenausfluss oder dem aus der Lunge hochgehusteten Material. Dies erklärt aber nicht, wie das Virus in den Speichel von Menschen gelangt, die keine Atemwegssymptome haben.

Die Forschenden analysierten zunächst das Mundgewebe von gesunden Menschen, um Mundregionen zu identifizieren, die für eine SARS-CoV-2-Infektion anfällig sind. Anfällige Zellen enthalten RNA-Anweisungen für die Herstellung von Eintrittsproteinen, die das Virus benötigt, um in die Zellen einzudringen. Die wichtigsten Eintrittsproteine für SARS-CoV-2 sind der ACE2-Rezeptor und das TMPRSS2-Enzym.

Beide Proteine wurden in Zellen entdeckt, die die Mundhöhle auskleiden sowie in Zellen der Speicheldrüsen als auch in Zahnfleischzellen. In manchen Zellen wurden sogar beide Proteine dargestellt, was auf eine erhöhte Anfälligkeit hindeutet.

Replikation von SARS-CoV-2 im Mund vermutlich möglich

Nachdem die Forscher bestätigt hatten, dass Teile des Mundes anfällig für SARS-CoV-2 sind, suchten sie nach Anzeichen für eine Infektion in oralen Gewebeproben von Menschen mit COVID-19. „In Proben, die am NIH von verstorbenen COVID-19-Patienten gesammelt wurden, war SARS-CoV-2-RNA in etwas mehr als der Hälfte der untersuchten Speicheldrüsen vorhanden“, schreibt das Forschungsteam. Bei einem lebenden Patienten mit COVID-19 wiesen die Forschenden zudem spezifische Sequenzen viraler RNA nach, die darauf hindeuteten, dass die Zellen aktiv neue Kopien des Virus herstellten.

Speichel als wahrscheinlicher SARS-CoV-2-Überträger

Um festzustellen, ob das Virus im Speichel infektiös ist, setzten die Forscher den Speichel von acht Personen mit asymptomatischem COVID-19 gesunden Zellen aus, die in einer Schale gewachsen waren. Der Speichel von zwei der Probanden führte zu einer Infektion der gesunden Zellen, was die Möglichkeit aufwirft, dass auch Menschen ohne Symptome infektiöses SARS-CoV-2 über den Speichel auf andere übertragen könnten.

Studie nicht vollständig aussagekräftig – weitere Forschungen erforderlich

Insgesamt kommt das Forschungsteam zu dem Schluss, dass der Mund, über infizierte orale Zellen, eine größere Rolle bei der SARS-CoV-2-Infektion zu spielen scheint als bisher angenommen. „Wenn infizierter Speichel geschluckt wird oder winzige Partikel davon eingeatmet werden, könnte SARS-CoV-2 weiter in den Rachen, in die Lunge oder sogar in den Darm übertragen werden“, resümiert Kevin M. Byrd, der zweite Studienleiter.

„Durch die Aufdeckung einer möglicherweise unterschätzten Rolle der Mundhöhle bei der SARS-CoV-2-Infektion könnte unsere Studie neue Untersuchungswege eröffnen, die zu einem besseren Verständnis des Infektions- und Krankheitsverlaufs führen“, ergänzt Warner.

Weitere Forschungen werden nötig sein, um die Ergebnisse in einer größeren Gruppe von Menschen zu bestätigen und um die genaue Art der Beteiligung des Mundes an der SARS-CoV-2-Infektion und der Übertragung innerhalb und außerhalb des Körpers zu bestimmen.

Quelle: ZWP online

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