Mission impossible? Der virenfreie OP in Zeiten der COVID-Krise
Auf der Suche nach neuen Standards im Corona-Zeitalter. Ein Beitrag von Dr. med. Burkhard Fragel und Prof. Dr. med. Dr. h. c. Hans Behrbohm
Die aktuelle COVID-Krise stellt die Kopffächer und Anästhesie vor neue Herausforderungen. Die erste Virusreplikaton findet in den oberen Atemwegen statt. Bei Eingriffen in Mund, Nase und Rachen werden deshalb besonders viele virusbelastete Partikel freigesetzt. Zusätzlich entstehen sehr viele Partikel durch Bohrer, oszillierende Sägen und Piezogeräte, die durch Atmung, Niesen und Hustenstöße verteilt werden. Deshalb sind speziell Operateure der Kopffächer und Anästhesisten besonders gefährdet, sich selbst mit COVID zu infizieren.
Im HNO-OP der Park-Klinik Weißensee haben wir deshalb nach sicheren Alternativen im Atemschutz gesucht und berichten über erste Erfahrungen.
FFP-Masken
FFP-(Filtering-face-pieces-)Masken stellen entsprechend ihrer Schutzklassen 1–3 einen Schutz vor Partikeln größer als 0,6µm dar. Dieser Schutz ist aber abhängig vom luftdichten Sitz der Masken auf dem Gesicht. Anders als im Prüflabor für Schutzmasken an einem Dummy, treten beim praktischen Tragen der Masken oft deutliche Leckagen am Nasenabhang und unter dem Kinn auf. Auch beim Sprechen oder längeren Eingriffen im OP können Masken verrutschen und ihren optimalen Sitz verlieren. Da die Masken häufig nur in geringer Anzahl zur Verfügung stehen, werden sie oft bzw. zu oft wiederverwendet. Das Filtermaterial durchfeuchtet. Damit steigt der Atemwiderstand des Filtermaterials und der Anteil der am Filterrand eingesogenen ungefilterten Luft.
Weiterhin kann der selbst einzustellende Formbügel für die Nase die Nasenflügel zusammendrücken. Daraus resultiert eine verminderte Nasen- und verstärkte Mundatmung unter den Masken. Das erhöht die Gefahr, belastete Partikel unter Umgehung des natürlichen Filtersystems Nase ungehindert in die Lunge einzusaugen. COVID-Erkrankungen beginnen dann nicht wie üblich im Nasen- und Rachenraum, sondern direkt in der Lunge. Dabei werden sehr schwere Verläufe beschrieben.
Da COVID auch durch einen Kontakt mit belasteten Aerosolen über die Konjunktiven aufgenommen wird, sollte zusätzlich zum Mundschutz eine Schutzbrille und besser noch ein Visier für das gesamte Gesicht getragen werden. Häufig beschlagen diese jedoch schon nach kurzer Zeit durch die um die Maske ausgeblasene Luft. Ein sicheres Arbeiten ist dann oft nicht mehr möglich.
FFP-Masken können deshalb nur einen relativen Schutz vor Infektionen bieten. Deshalb haben wir alternative Atemschutze in unserer Abteilung getestet.
Vollmasken
Diese Masken vereinen Gesichts- und Atemschutz. Das Visier engt das Gesichtsfeld kaum ein. Die Atemluft von Mund und Nase ist durch eine zusätzliche Dichtlippe vom Gesichtsbereich getrennt. Ein Beschlagen des Sichtfensters ist damit kaum möglich. Eine solche Gesichtsmaske bietet durch ihren doppelten und engen Abschluss am Gesicht im Gegensatz zur FFP-Maske einen über hundertfach besseren Filterschutz für den Anwender.
Die Vollmasken sind durch ihre enge und umfassende Umhüllung des Gesichtes etwas ungewohnt im Gebrauch. Durch die hohe Filterleistung ist der Atemwiderstand deutlich größer als bei FFP-Masken. Der Filter ragt etwas in das Arbeitsfeld hinein. Ähnlich wie bei FFP-Masken wird die Atemluft direkt aus dem Arbeitsfeld entnommen. Die Masken lassen sich in einer Waschmaschine reinigen. Die Filter dagegen sind wie die FFP-Masken Verbrauchsmaterial.
Gebläsefiltersysteme
Wir haben außerdem Gebläsefiltersysteme mit Hauben getestet. Diese enthalten eine Gebläseeinheit, ähnlich einem Fön für Kaltluft, die mit einem Akku betrieben wird. Die Luft für die Gebläseeinheit wird durch einen wechselbaren Filter angesaugt. Das Gerät wird an einem breiten Gürtel am Rücken getragen. Über eine Zuleitung am Rücken gelangt die Luft in eine Haube, welche den Kopf umhüllt. Die Haube ist aus weichem flexiblen Material und zudem mit einem maximal weiten Sichtfenster versehen. Das erhöht den Tragekomfort für Personen ohne Erfahrung mit industriellem oder militärischem Atemschutz deutlich. In der Haube herrscht permanent leichter Überdruck. Dadurch werden keine eng anliegenden Dichtlippen wie bei Vollmasken benötigt. Vielmehr verhindert die am Rand kontnuierlich austretende Luft ein Eindringen von Schadstoffen. Die Atemluft muss vom Träger nicht aktiv angesaugt werden. Dadurch besteht kein erhöhter Atemwiderstand. Durch das Einblasen der Luft über den Kopf ist auch hier ein Beschlagen des Visieres praktisch unmöglich. Unter der Haube können übliche Brillen und Lupen verwendet werden.
Die Luft wird anders als bei den zuvor besprochenen Maskensystemen nicht aus dem primär belasteten Arbeitsbereich, sondern hinter dem Rücken des Benutzers weit von der Quelle der Kontaminaton entnommen. Dadurch ist der Eintrag von belasteten Partikeln in das System um ein Vielfaches kleiner als bei den herkömmlichen Maskensystemen.
Der Schutzgrad für das Gebläsesystem ist ebenfalls deutlich höher als der von FFP-Masken. Er liegt allerdings unter dem Schutzgrad für Vollmasken.
Die Filter für das System sind ebenfalls Verbrauchsmaterial. Die Gebläseeinheit erzeugt, ebenfalls ähnlich einem Fön, ein Rauschen, an das man sich zunächst gewöhnen muss.
Alternativ zu einer Gebläseeinheit besteht beim Arbeiten im OP auch die Möglichkeit einer statischen Versorgung mit Druckluft aus der bereits vorhandenen Luftversorgung für die Anästhesie. Hierbei wird die extern generierte und damit saubere Druckluft über einen Regler am Rücken in die Kopfhaube eingeleitet.
Dieses System bietet alle Vorteile des Gebläsefiltersystems. Zusätzlich kommt es vollständig ohne Verbrauchsstoffe aus. Ein großer Nachteil ist ein deutliches Pfeifgeräusch der durch den Druckwandler einströmenden Luft. Konzentriertes Arbeiten über lange Zeit wird hierbei wahrscheinlich nur mit Gehörschutz möglich sein.
Zusammenfassung
Bei symptomatischen und asymptomatischen COVID-Patienten besteht eine sehr hohe Viruslast im Bereich der oberen Atemwege.
Operateure der Kopffächer und Anästhesisten sind deshalb einem erhöhten Risiko ausgesetzt, sich selbst zu infizieren. Noch werden hauptsächlich Verdachtsfälle behandelt. In naher Zukunf wird das Infektionsrisiko dann deutlich steigen, wenn tatsächlich an COVID erkrankte Patienten mit dringenden OP-Indikationen operativ versorgt werden müssen.
Die aktuellen generellen Richtlinien für Ärzte zum Arbeitsschutz im Rahmen der COVID-Pandemie sind deshalb für diese Fächgruppen nicht ausreichend. Vielmehr müssen sie mit spezieller Schutzausrüstung versehen werden. Erste eigene Erfahrungen zeigen, dass tragbare Gebläsefiltersysteme mit Kopfhauben eine praktikable Lösung auf dem Weg zu einem minimalen Risiko der Kontamination mit dem Coronavirus bei Operationen darstellen.
Kontakt
Dr. med. Burkhard Fragel
Prof. Dr. med. Dr. h. c. Hans Behrbohm
Chefarzt Abteilung für HNO/Plastische Operationen
Ärztlicher Direktor
Park-Klinik Weißensee
Akademisches Lehrkrankenhaus der Charité
Schönstr. 80 , 13086 Berlin
Telefon: 030/9628-3850
Telefax: 030/9628-3855
E-Mail: behrbohm@park-klinik.com
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