„Innovation ist das Lebenselixier der Medizintechnik“
Seit Mai 2015 ist Dr. Sandro Matter neuer CEO der Dentalpoint AG in der Schweiz. Matter erwarb seinen Masterabschluss in organischer Chemie an der ETH Zürich, wo er auch in Werkstoffwissenschaften promovierte. Seine unternehmerische Laufbahn begann er bei Synthes-Stratec. Dort war er von 1997 bis 2002 für das Produktmanagement und die Entwicklung von Biomaterialien verantwortlich.
Er war ein Mitgründer von Kuros Therapeutics. 2002 wechselte Matter zu Straumann und übernahm als Vorstand die Funktion „Leiter der Division Biologics and Research“. 2005 wurde er zum Leiter der Products Division ernannt. Zuletzt war Matter bei Straumann als Senior Executive Vice President – Global Head Instradent tätig. Jürgen Isbaner, Vorstand OEMUS MEDIA AG, nutzte am Rande des 1st Annual Meeting of ISMI in Konstanz die Gelegenheit, mit Dr. Matter zu sprechen.
Dr. Matter, sie haben im Mai die Funktion des CEO der Dentalpoint AG übernommen. Zuvor haben Sie führende Positionen bei Straumann, einem der führenden Implantatanbieter, bekleidet. Was hat Sie bewogen, von einem so großen Unternehmen in ein kleineres Unternehmen zu wechseln, das derzeit in gewissem Sinne erst einen Nischenmarkt bedient?
Innovation ist fast das wichtigste Lebenselixier der Medizintechnik, auch in der dentalen Implantologie. Das gilt für Geschäftsmodelle als auch für neue Produkte und Techniken. Innovation war die Triebfeder meiner 20-jährigen Karriere in der Medizintechnik. SLActive, Roxolid, Digitalisierung usw. waren wichtige Meilensteine in meiner Zeit bei Straumann. Unternehmen und Menschen unterliegen Lebenszyklen, deshalb war es für mich Zeit, wieder einmal was Neues anzupacken, insbesondere in Zeiten, in denen sich bei Titanimplantaten die Nachahmerprodukte klinisch wenig oder nicht mehr von den Originalen unterscheiden. Meiner Ansicht nach sind Keramikimplantate der nächste bedeutende Innovationstreiber in der Implantologie. In der Restaurativen Zahnheilkunde sind Vollkeramik und sogenannte monolithische Versorgungen seit Jahren ein sehr erfolgreicher Trend. Wenn sich Keramikimplantate genauso verbinden lassen und gleichwertig osseointegrieren, warum sollte man dann noch Titan verwenden? Ein ganzer, künstlicher Zahn nur aus Keramik, metallfrei? Das ist eine Herausforderung, die mich fasziniert. In einem kleineren, fokussierten Unternehmen können solch neuartige Themen zielgerichteter und rascher realisiert werden, denn das Produkt, der Kliniker und der Patient stehen im Vordergrund.
Wodurch zeichnen sich ZERAMEX® Implantatsysteme aus und in welchen Märkten sind sie derzeit aktiv?
Dentalpoint hat derzeit zwei Systeme auf dem Markt. Beide sind komplett metallfrei. ZERAMEX®T ist bereits etwas länger im Markt und ist ein zweiteiliges Implantat, welches über eine Klebeverbindung verfügt. ZERAMEX®P6 vertritt die neue Generation der Implantate, welche über eine reversibel verschraubte Verbindung verfügen. Die Ermüdungsfestigkeit der ZERAFIX Verbindung ist um ein Mehrfaches höher als das am Markt schon lange verfügbare Titan-Original mit identischem chirurgischen Design. Diese enorme Festigkeit und Präzision werden dadurch erreicht, dass die zweiteiligen ZERAMEX® Implantate, im Gegensatz zum Wettbewerb, direkt aus dem harten Keramikwerkstoff hergestellt werden. Die neuartige Karbon-Keramik-Verbindung mit der VISCARBON™-Schraube ist die bahnbrechende Innovation, die es ermöglicht, Keramikimplantate geschraubt zu verbinden, wie die Titanimplantate. ZERAMEX®P6 kann mit Ausnahme der Eindrehwerkzeuge direkt mit dem Bohrprotokoll und dem Instrumentarium des weit verbreiteten Vorgängers aus Titan gesetzt werden. Einzig die Prothetik verlangt einen separaten Schlüssel. Die Verbindung an sich funktioniert anders, ist aber einfach erlernbar. Man soll das Rad nicht neu erfinden, deswegen adaptieren wir die neue Technologie auf erfolgreiche Implantatkonzepte. Damit braucht man nicht zehn Jahre auf Langzeitergebnisse zu warten. Ebenso wichtig ist bei beiden ZERAMEX® Implantatsystemen die Oberfläche ZERAFIL 5. Sie wurde durch die bekannte Implantat-Arbeitsgruppe der Universität Bern um Prof. D. Buser vergleichend getestet. Es wurde eine vergleichbare Osseointegration, wie die einer Titan-SLA-Oberfläche, wissenschaftlich nachgewiesen. ZERAMEX® wird heute hauptsächlich in Deutschland und in der Schweiz über einen eigenen Außendienst vertrieben. Für ZERAMEX®T besteht bereits eine FDA-Zulassung und die Expansion in neue Märkte sowie die vertiefte Marktbearbeitung in Deutschland und in der Schweiz stehen im Fokus.
Sie haben einen Master in organischer Chemie und auf dem Gebiet der Materialwissenschaften promoviert. Wie hilft Ihnen diese Ausrichtung in Ihrer neuen Aufgabe?
Das hilft schon sehr. Obwohl ich seit vielen Jahren im kommerziellen Bereich des Geschäftes tätig bin, fällt der Austausch mit Forschern, Ingenieuren und Klinikern leichter, weil man versteht, wie die Wissenschaft oder auch die technische Entwicklung und Produktion funktionieren. Gerade in einem Gebiet wie der Zahnmedizin, wo Produkte und Verfahren technik- und materialwissenschaftslastig sind, hat man so den einen oder anderen Vorteil. Es gilt, in einem derart interdisziplinären Umfeld Brücken unter den unterschiedlichsten Akteuren zu bauen.
Die technologische Entwicklung im Dentalmarkt ist rasant. Sehen Sie in naher Zukunft auch das Implantat aus dem Drucker?
Ein derzeit viel diskutierter Trend ist sicher die Digitalisierung, welche meiner Ansicht nach unaufhaltsam unser aller Leben durchdringt. Allerdings muss neu nicht immer besser sein. Die Herausforderung ist das Generieren von Mehrwert, den jeder Anwender einfach realisieren kann. Beim Mobiltelefon dauerte es auch eine Weile, bis ein Computerhersteller kam, der dieses so einfach bedienbar machte, dass keiner mehr die Betriebsanleitung lesen musste. Selbstverständlich gilt das auch für die Produktionsverfahren wie dem 3-D-Druck. Das wird neue Möglichkeiten schaffen, gerade für Bauteile, die nicht unter kritischen Belastungen stehen müssen, wie Provisorien, Wax-ups und so weiter. Bei Implantaten bin ich skeptischer, auch aus der Erfahrung des Metallspritzgusses, wo man vor 20 Jahren versuchte, Schrauben billiger herzustellen. Gerade bei kleinen Präzisionsteilen, die unter enormer Belastung stehen, dürfte Fräsen und Schleifen – eine Technik, die sich andauernd weiterentwickelt – effizienter bleiben. Die Druckmaterialien sind nicht billig, das kennen wir bereits von zu Hause. Gute Fotos drucken wir auch nicht zu Hause, obwohl wir das eigentlich könnten.
Hier in Konstanz findet derzeit mit Teilnehmern und Referenten aus mehr als zehn Ländern die erste Jahrestagung der Internationalen Gesellschaft für metallfreie Implantologie (ISMI e.V.) statt. Sie sind sicher auch hier, um sich ein Bild zu machen. Wo sehen Sie die metallfreie Implantologie im Allgemeinen und die Keramikimplantate im Speziellen in fünf Jahren und was werden die Kriterien für den Erfolg sein?
Lassen Sie mich mit den Erfolgskriterien beginnen: Meiner Ansicht nach ist nur das Bessere der Feind des Guten. Dies bedeutet, dass Keramikimplantate nur dann über die heutige Nische hinaus erfolgreich sein werden, wenn sie klinisch – in ihrer Leistungsfähigkeit und der Handhabung – mindestens genauso gut und einfach funktionieren wie die Vorgänger aus Titan. Die Mehrheit der implantologisch aktiven Zahnärzte möchte keine Nachteile oder größere Risiken eingehen als mit dem Produkt, mit welchem sie heute erfolgreich tätig sind. Unter den beschriebenen Voraussetzungen ist „metallfrei“ zweifellos die bessere Lösung. Die Risiken von ZERAMEX® sind sauber abgeklärt. Es überzeugt mit Bestnoten in den Kriterien Dauerfestigkeit, Osseointegration, Materialalterung, Handling und möglichen Indikationen. Die neuen ZERAMEX® Implantate mit verschraubter ZERAFIX Karbon-Keramik-Verbindung, in Verbindung mit der ZERAFIL Oberfläche, funktionieren wie ihre Vorgänger aus Metall. Der Trend zum natürlichen Zahnwurzelersatz aus Keramik wird sich fortsetzen. Ich rechne in fünf Jahren mit einem Marktanteil von fünf bis zehn Prozent. Mit unseren hoch entwickelten Produktionsmethoden und den steigenden Stückzahlen werden auch die Kosten sinken und die Preise sich denen von heutigen Titan-Premiumherstellern annähern.
Herr Dr. Matter, vielen Dank für das Gespräch und viel Erfolg für Sie in Ihrer neuen Aufgabe.
Titelbild: © Chones – Shutterstock
Dieser Artikel erschien zuerst im Implantologie Journal 7+8/2015.