Titan vs. Keramik – Wo liegt die Zukunft der Implantologie?

© Vera Kuttelvaserova –Fotolia.com/SDS Swiss Dental Solutions AG

Keramikimplantate erleben derzeit einen deutlichen Aufschwung. Immer mehr Anbieter drängen auf den Markt und auch die führenden Implantat-Unternehmen haben Keramikimplantate bereits im Portfolio bzw. sind dabei, ihre Produktpalette dahingehend zu ergänzen. Angesichts der Diskussionen, die dazu geführt werden, stellen sie zahlreiche Fragen über die künftige Rolle der Keramik­implantate als Alternative zu den millionenfach bewährten ­Titan­implantaten. Neben dem erfolgreichen praktischen Einsatz von Keramikimplantaten laufen auch verschiedene wissenschaft­liche Studien zum Thema. Wir sprachen mit Univ.-Prof. Dr. Dr. Ralf Smeets, geschäftsführender Oberarzt, Forschungskoordinator Kopf- und Neurozentrum, Klinik und Poliklinik für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie (MKG), Universitätsklinikum Hamburg-­Eppendorf (UKE).

Keramikimplantate sind auf dem Vormarsch. Sind sie inzwischen technologisch so weit, dass sie eine wirkliche Alternative zu Titanimplantaten darstellen?

Keramik hat in der Zahnmedizin eine große Tradition und wir wissen aus der Prothetik, dass sich keramische Gerüste sehr bewährt haben. Durch die Hochleistungskeramiken sind wir in der Lage, im Bereich des festsitzenden Zahnersatzes bei Kronen, Brücken aber auch bei implantatgetragenen Primär-, Sekundär- oder sogar Tertiärstrukturen qualitativ hochwertige vollkeramische Restaurationen herzustellen. Aus biologischen und ästhetischen Aspekten heraus, kann man wirklich sagen, dass Keramikimplantate inzwischen als Alternative zu Titanimplantaten anzusehen sind, wobei jedoch die mechanischen Eigenschaften noch weiterhin erforscht werden müssen, um eine echte mechanische Gleichwertigkeit zu beweisen.

In entsprechenden Fachbeiträgen und in Vorträgen werden vorrangig die biologischen und ästhetischen Aspekte beim Einsatz von Keramik­implantaten hervorgehoben. Welche Vorteile haben Keramikimplantate generell – sind es in erster Linie diese „weichen“ Faktoren oder gibt es auch „harte“ Faktoren?

Es ist unbestreitbar, dass die biologischen und ästhetischen Eigenschaften von keramischen Implantaten sehr im Vordergrund stehen. Bisher bestand der Markt hauptsächlich aus einteiligen Implantaten, inzwischen werden vermehrt zweiteilige Keramikimplantate angeboten, weil man erkannt hat, dass einteilige Implantate ein beschränktes Indikationsspektrum haben und oft mit prothetischen Nachteilen verbunden sind.

Die Datenlage zu vollkeramischen Implantaten ist gering, aber es gibt inzwischen Studien, welche von einer Vergleichbarkeit der Überlebensraten bei Vollkeramik- und bei Titanimplantaten berichten, jedoch nur über einen relativ kleinen Zeitraum gesehen. Zusammenfassend sehe ich die sogenannten weichen Faktoren bei den Keramikimplantaten deutlich im Vordergrund stehend.

Wichtig für den Erfolg beim Einsatz von Keramikimplantaten, so Experten, sei ein spezielles OP-Protokoll. Was ist hier gegenüber dem Titan­implantat grundsätzlich anders bzw. zu beachten?

Das Operationsprotokoll des Herstellers sollte zwingend eingehalten werden, dann entstehen keine Nachteile bei der Knochenbettpräparation. Die Studienlage ist im Hinblick auf Keramikimplantate noch recht dünn.

Sie betreuen am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE) eine Studie zum Einsatz von Keramikimplantaten. Worum geht es in dieser Studie bzw. was soll wissenschaftlich untersucht werden?

Hierbei handelt es sich um eine vom Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie (BMWi) geförderte und dem Keramikimplantate-Hersteller Swiss Dental Solutions (Kooperationspartner) unterstützte Studie zur Entwicklung eines der Zahnwurzel­geometrie nachempfundenen, nicht rotationssymmetrischen dentalen Keramik­implantats. Im Rahmen der Studie werden Ober­flächenanalysen, mechanische Stabilitätstests, In-vitro-Biokompatibilitäts­analysen und anschließende tierexperi­men­telle Untersungungen zur Sicherung und Validierung der erhobenen Parameter durchgeführt.

Ist die aktuelle Studienlage trotz der vielfältigen praktischen Erfahrungen etwas, was derzeit noch gegen die Keramik­implantate spricht?

Die Studienlage ist effektiv zu dünn: die Datenlage im Hinblick auf die ­mechanische Resistenz gegenüber mastikatorischer Belastungen, im Hinblick auf Langzeitstabilität, im Hinblick auf Überleben ist als nicht ausreichend zu bezeichnen. Es ist so, dass es sehr gut dokumen­tierte Kasuistiken gibt, welche Anlass zu einer vorsichtigen positiven Bewertung geben, jedoch ist das Indika­tionsspektrum für Keramik­implantate deutlich eingeschränkter als das Indikationsspektrum der Titan­implantate.

Wenn Sie in die Zukunft schauen, wo sehen Sie Keramikimplantate im Spektrum der Implantologie in fünf bis zehn Jahren?

Keramikimplantate werden ihren Stellenwert bekommen; hoffentlich sind wir in fünf bis zehn Jahren in der Lage, durch Studien die Langzeit-Gleichwertigkeit von keramischen Implantaten besser beurteilen zu können.

Quelle: Implantologie Journal 7+8/2016

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