Keramikimplantate – Möglichkeiten und Grenzen

Viele Patienten äußern den Wunsch, lieber Keramik- statt Titan­implantate inseriert zu bekommen. Das Image der Keramik als weißes zahnfarbenes Material ist gegenüber dem grauen Titan besser. Dabei werden als zahnmedizinische Indikation meist Patienten mit dünner Mukosa und Patienten mit hoher Lachlinie angeführt.

Schon seit 1975 wurden bei vielen Patienten Tübinger Keramikimplantate gesetzt. An diesen Implantaten waren die Vor- und Nachteile des Materials Keramik gut zu erkennen. Die damals verfügbare Al2O3-Keramik (Aluminiumoxidkeramik) war bereits sehr gut bio­verträglich, was sich zwar in sicherer Osseointegration und gesunden Gingivaverhältnissen, aber auch hoher Frakturgefahr manifestierte.

Vorteile von Keramikimplantaten

Der Hauptvorteil der Keramikimplantate liegt in der guten Gewebeverträglichkeit bezüglich Osseointegration, gingivalem Abschluss sowie geringer Plaqueakkumulation. Obwohl auch Titanimplantate eine gute Verträglichkeit aufweisen, wurden in neuen Studien Titanoxidbelastungen nach Implantation festgestellt. Diese ­treten sowohl bei der Insertion durch die mechanische Beanspruchung als auch durch Korrosion nach Insertion im periimplantären Gewebe auf. Durch Migration sind diese Titanpartikel auch in ­regionären Lymphknoten nachweisbar. Abhängig von der genetischen Disposition des Patienten ist eine unterschiedlich starke Entzündungsreaktion nachweisbar. Bei Zirkondioxidpartikeln wurden wesentlich geringere Entzündungsreaktionen festgestellt.

Design von Keramikimplantaten

Die meisten Anbieter liefern ihre Zirkonoxidimplantate als einteilige Systeme, die deshalb nicht geschlossen einheilen können; Titanimplantate werden hin­gegen meist als zweiteilige Systeme ­verwendet. Viele Hersteller haben ihre Zirkonoxidimplantate, die in den letzten zehn Jahren auf den Markt kamen, nach der Einführung in Form und Ober­flächenrauigkeit abgewandelt, weshalb Aussagen zum Langzeitverhalten wissenschaftlich kaum möglich sind.

Überlebensraten von Zirkonoxidimplantaten

Wegen der kurzen Beobachtungsdauer und den erwähnten Änderungen im Implantatdesign gibt es nur wenige mehrjährige Studien über die Erfolgsraten von Zirkonoxidimplantaten. Diese zeigen aber, dass prinzipiell Zirkonimplantate eine den Titanimplantaten vergleichbare Überlebensrate haben.

Zirkonoxidimplantate

Obwohl die modernen Keramikimplantate meist so genannt werden, bestehen doch deutliche Unterschiede in der chemischen Zusammensetzung, dem Herstellungsprozess wie auch in der Form und Rauigkeit der Oberfläche. Dies führt auch zu Unterschieden in der klinischen Bearbeitungsfähigkeit nach der Insertion und wohl auch zu Differenzen bezüglich der Einheilung und Stabilität. Häufig darf das Zirkonoxidimplantat im Mund nicht beschliffen werden, um Frakturen zu vermeiden. Das macht die Planung der prothetischen Versorgung und die Implantat­insertion anspruchsvoller.

Einteilige/zweiteilige Zirkonoxidimplantate

Nur wenige Hersteller bieten zweiteilige Zirkonoxidimplantat-Systeme an. Die Verbindung des Abutments zum im Knochen inserierten Anteil ist überwiegend eine Klebeverbindung mit allen Problemen des Verbundes. Es werden Schraubenverbindungen getestet, wodurch aber die Frakturgefahr ansteigt und es häufiger zu einer Biofilmbildung zwischen Implantat und Abutment kommen kann. Das Beschleifen von einteiligen Implantaten im Mund wird nur von einigen Herstellern erlaubt. Deshalb muss die Position des Implantates für die spätere prothetische Versorgung sehr genau geplant werden.

Einheilung von Keramikimplantaten

Da einteilige Implantate von Anfang an in die Mundhöhle ragen, sind sie anfälliger für okklusale Überbelastungen während der Einheilphase. Einige Hersteller von Keramikimplantaten geben gegenüber Titanimplantaten längere Einheilzeiten bis zur Funktion und okklusaler Belastung an. Deshalb muss bei der Insertion der Keramikimplantate besonders auf eine gute Primärstabilität geachtet werden. Ist diese durch ein geringes Knochenangebot oder schlechte Knochenqualität eingeschränkt, kann es erfolgreicher sein, auf ein zweiteiliges Implantatsystem mit geschlossener Einheilung zu wechseln.

Die zweiteiligen Keramikimplantate sind wegen fehlender Möglichkeit der Verschraubung auf ein Verkleben im Mund angewiesen. Hierfür liegen noch keine langfristigen Ergebnisse vor. Ähnlich wie bei Titanimplantaten weisen heute auch viele Keramikimplantate eine mikroraue Oberfläche auf. Je nach Hersteller wird die Oberfläche zu ­diesem Zweck sandgestrahlt und/oder angeätzt. Eine mikroraue Oberfläche scheint ein wichtiges Kriterium für die Osseointegration zu sein, wobei es hierfür keine exakte Definition gibt. Die Planung der einteiligen Keramik­implantate verlangt besondere Sorgfalt, da ein Beschleifen des Aufbaus zur Anpassung der Achsenrichtung und Optimierung der prothetischen Versorgung von manchen Herstellern nicht zugelassen ist. Gerade bei der Implantation von einteiligen Implantaten im Oberkieferfrontzahnbereich kann es aufgrund des Knochenangebotes zu Achsendivergenzen und Kompromissen im ästhetischen Resultat kommen. Hilfreich für die Planung und Insertion sind deshalb Bohrschablonen und ein „Backward Planning“. Natürlich müssen auch die herstellerspezifischen Empfehlungen bezüglich des Insertionsniveaus der Keramikimplantate berücksichtigt werden. Da kein Keramikimplantat selbstschneidend ist, muss die empfohlene Vorgehensweise der Hersteller Beachtung finden.

Prothetische Rekonstruktionen auf Implantaten

Keramische Abutments auf Titanimplantaten

Die Verbindung vom Implantat zur Krone wird durch vom Implantathersteller gelieferte Abutments erreicht. Schon seit Jahren werden dafür nicht nur Titan­abutments verwendet. Es gibt verschiedene keramische Abutmentsysteme, vom Hersteller der Implantate oder individuell im Dentallabor angefertigte Aufbauten. Begonnen wurde vor ca. 20 Jahren mit Aluminium­oxidabutments, während heute meist Zirkon­abutments Verwendung finden. Diese zeigen bezüglich der mechanischen ­Belastbarkeit keine Nachteile gegenüber Titanabutments. Auch ist die Weich­gewebsintegration am gingivalen Durchbruch beider Systeme vergleichbar, wobei die Keramikimplantate eine geringere Plaqueanlagerung und systembedingt eine bessere Ästhetik bei dünner bukkaler Gingiva aufweisen.

Neben den konfektionierten Keramik­abutments, die mit einer Schraube im ­Titanimplantat befestigt werden, gibt es zwei individuelle Herstellungsverfahren. Entweder wird das Zirkonabutment ­mittels CAD/CAM-Techniken aus einem Block gefräst oder ein individuell gefertigtes Zirkonabutment auf eine metal­lische, konfektionierte Abutmentbasis geklebt.
Gegenüber reinen Zirkonimplantaten haben keramische Abutments den Vorteil, dass Divergenzen in der Achsenrichtung leichter ausgeglichen werden können und das Emergenzprofil sowohl bei Implantaten in der Front wie im Seitenzahngebiet leichter an die individuelle Situation angepasst werden kann, ohne dass das Zirkon im Mund beschliffen werden muss.

Der Verbund prothetischer Rekonstruktionen mit Keramikimplantaten

Die Suprakonstruktionen auf Keramik­implantaten müssen zementiert werden. Die Zementierung wird manchmal als Auslöser oder zumindest Kofaktor für die Periimplantitisentstehung angesehen. Da es sich bei Keramikimplantaten um Tissue Level-Implantate handelt, muss die Zementierung mit einer geringen Menge an appliziertem Zement in die Kronen erfolgen, um Zementüberschüsse vermeiden zu können. Zirkonimplantate bieten heute interessante Alternativen zu Titanimplantaten. Allerdings verlangen einteilige Zirkon­implantate eine präzisere Insertion, da eine Anpassung der Achsenrichtung für die prothetische Versorgung nur eingeschränkt möglich ist. Dennoch sind die Ästhetik und gute Gewebeverträglichkeit wichtige Vorteile für den Patienten. Die keramischen Abutments für Titan­implantate stellen aber interessante ­Alternativen zu einteiligen Zirkon­implantaten dar, da hiermit ebenfalls gute ­Ergebnisse bezüglich Ästhetik bei besseren Möglichkeiten der Anpassung an die individuelle Position des Implantates möglich sind.

Der Autor bedankt sich an dieser Stelle beim Labor Rothacher und Labor Schuler für die sehr guten zahntechnischen Arbeiten und die positive Zusammen­arbeit!

Autor: Prof. Dr. Elmar Reich

Dieser Artikel erschien zuerst im Implantologie Journal 9/2015.

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